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über das Eine                                                                                                             - und Andere                                  (Reflexionen)       

  unfertige Gedanken     (Innes und Outes)

 

Themen kommen und gehen - auch hier – werden eingeflüstert durch Presse und Fernsehen – kommen nie von selbst – müssen manchmal geweckt werden – sind interessant und ätzend, eigentlich die ganze Skala runter – werden mir suspekt – lassen sich von mir adoptieren – bestehen kaum aus Fakten – werden individuell eingekleidet – leben durch Subjektivität und Affinität – sind unerschöpflich

  I n h a l t :   (1.-a- Sprache; 2.-a- Schönheit;  3.-a- Schönheit;  4.-a- Gestern-Heute-Morgen   ...  5. Kompromiss-Kabarett )

 

 

 1   Sprache (a)

Wenn man gerne schreibt, muss man sich mit dem Thema Sprache beschäftigen, ich mit der deutschen Sprache. Ich will‘s mir nicht einfach machen; denn Deutsch ist zu kostbar, als dass ich den Kaffee TOGO und den Backshop (der eigentlich eine Lokomotiven-Reparaturwerkstatt oder der Hinterhofladen eines Hauptladenssein müsste)nach Afrika oder ins brexitäre England schicken möchte. Dennoch ist mir jeder wilde Reinigungseifer suspekt. Auch die zu Begriffskürze tendierenden Franzosen haben selten ein fin de semaine oder gar einen samedi et dimanche. Die dauern ihnen zu lange. Sie bevorzugen le weekend und das, obwohl die ehrenwerte Académie française sich über cool, fun und speed anstelle der Begriffe super, holla! – anstelle von formidable, amusement und vitesse nach Verärgerung und eingehenden Diskussionen den Korrekturstift ansetzt.

Gegen Abkürzungen wie H.L.M. oder PIB hat sie nicht gewonnen, weil -sie weiß es- eine Sprache ihr Eigenleben hat und von anderen Kräften reguliert wird als von einem besorgten Institut. Mit den Dingen kommen auch die Begriffe und die werden eben nicht immer in die Landessprache übersetzt. Wenn ich anstelle von Computer Rechner sage tue ich niemandem weh, doch bei Megabite oder Ouvertüre bleibt mir kaum eine Wahl. Die Sprachen entleihen sich eben gerne Bestandteile der anderen Sprachen, weil es chic ist, weil es praktisch ist, weil es genauer ist.

Für mich gibt es auch noch einen weiteren Aspekt: Wenn wir auf fremde Sprachen ausweichen, dann könnten wir das doch auch aus ästhetischen Gründen tun. Es gibt doch auch besonders schöne Fremdwörter. Anstelle von Großer König nehme ich lieber Maharadscha, für Unterstützer und Gönner Mäzen, für erprobt empirisch u.s.f. (oder e.t.c.).Überhaupt hat Sprache etwas mit Schönheit zu tun. Das merken wir an der Melodie von Sätzen und Wörtern, oder sind – abgesehen von den Folgen für das inhaltliche Was - hier im sprachlichen Wie Qualitätsunterschiede zu bemerken?: x: „Es wurde peu a peu spät und dunkel in der Gegend.“ ≠ y: „Gelassen stieg die Nacht an Land.“ (Mörike, 1828) Für unsere Sprache spielt eben nicht der Fremdwortanteil eine entscheidende Rolle, sondern der bewusstere Gebrauch, da sie ein Mittel ist, mit dem wir uns selber darstellen, uns möglichst klar verständigen wollen und das wir liebevoll behandeln sollten.

Sonst will ich da echt nix mehr zu sagen, weil wer das nicht rafft, dem sein Fall is irgendwie hoffnungslos.

 

 2   Schönheit (a)

Schönheit – so sagte mal Walser, der Martin, nicht der Robert, der vielleicht dafür weniger Zeit hatte, leider, sollte ich sagen - , die sei der Gipfel. So habe ich das damals (vor knapp drei Jahren) verstanden, dort, am Beginn von „Ein sterbender Mann“. Eigentlich eine Idee, die man wohl leicht falsch versteht. Diese Idee ist ja eher meine Festlegung auf eine Bedeutung, die ich mir nach etlichen Wegen durch mein Gehirn und meine Erfahrungen selber glaubhaft machte. Nun höre ich den Originalsatz („Mehr als schön ist nichts.“) und der Autor lässt uns wissen, dass er den schon einmal mit dem Philosophen Sloterdijk diskutiert habe, und schon bei dieser Gelegenheit sei das zwar seine Behauptung gewesen, doch wie in seinem Roman der erzählende Theo Schadt habe er letztlich nicht seine eigene Meinung geäußert, sondern nur eine Art Zitat benutzt, um gegen diesen Standpunkt „anzutreten“. Da ich beim Berliner Cicero-Dialog nicht dabei war, weiß ich leider auch nicht, wie Walser „seine“ Aussage verstanden wissen wollte. Mir ist sie nämlich mittlerweile wirklich nur das Aufblitzen eines Gedankens, der viele Widersprüche und Überlegungen nach sich zieht.

Mein anfängliches Verständnis war dies: Erkenne ich etwas als „schön“, dann ist nichts an diesem Gegenstand (an dieser Person, an dieser Wahrnehmung etc.), das ihn noch mehr auszeichnen könnte. Ich habe sogar von Mathematikern gehört, die dies dachten, weil sie eine Gleichung nur weil sie als „schön“ bezeichnet wurde über eine andere setzten, deren Erkenntniswert höher war und die deshalb mehr Bedeutung innerhalb der Wissenschaft haben musste. Und wir wissen auch alle, dass uns die Begegnung mit einem schönen Menschen oder auch einem schönen Kunstwerk sprachlos machen kann. Wir sind überwältigt, ohne Diskussion, ohne den Schimmer eines Zweifels oder dem Ansatz einer Rechtfertigung.

Aber da hakt es jetzt bei mir.

Weiter nachdenken ist vonnöten.

 3   Kunst (a)

 - oder - KANN DAS WEG? 

 

  1. Ein Essai

 

Wir wollen es glauben...  Nein, wir wissen es; eine menschenwürdige „Welt“ wäre ohne Kunst nicht vorstellbar. Eine Ahnung von der Notwendigkeit der Kunst bekommt man, wenn man an die Höhlenmalerei denkt, tanzende und singende Kinder betrachtet, von der Todesangst Shostakovichs unter der Tyrannei Stalins liest. Ist eine Welt ohne Kunst vorstellbar? Und was ist Kunst überhaupt?

Ich spüre, dass ich beruhigt und in einem glücklicheren Zustand bin, wenn ich z.B. auf die Malerei Cranachs (d.Ä.) sehe; dass ich tief berührt sein kann von Rothkos Farbflächen, dass sich mir Yves Kleins blaue Gegenstände tief einprägen, da sie für mich einen Zustand der Sehnsucht auslösen, wie es in der Romantik schon die „blaue Blume“ konnte.

Was fesselt mich da? Was packt mich ebenfalls bei der Lektüre einer Erzählung, besonders die Passagen, die mich stocken lassen, bei denen man anhält, vielleicht um sie erneut zu lesen. Woher kommt diese Magie?

Muss das nicht Kunst sein. Aber was ist Kunst?

Mein betagter Vermieter sagte mir, dass meine Frage, was Kunst ist, doch einfach zu beantworten sei. Kunst kommt von Können. Das ist alles.

 

Von welchem Können ist hier die Rede?

Herr Siebeck kann kochen, gut kochen sogar. Er zelebriert Kochkunst, hohe (Koch-)kunst. Aber Kunst?

Die von einem Unbekannten um 200 v.Chr. geschaffene Bronze, „Laokoongruppe“ genannt (wir kennen sie als von Hagesandros, Athanadoros und Polydoros in Marmor gemeißelte Kopie), hat sie den Rang eines Dreisternemenüs? Ein Damenstiefel ist keine „Mona Lisa“, selbst wenn manche Dame ihn umwerfend schick findet, und er dazu noch wie angegossen passt. Botticellis „Frühling“ ist keine Wanddeko, selbst wenn sie am Kopfende des Bettes die Schlafzimmerwand eines Scheichs zierte, und auch Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ will kein Bericht über die Besiedlung Amerikas sein.

Das Können in der Kunst ist nicht das Können bei der Verfertigung von Gegenständen oder beim Lösen von mathematischen Problemen. René Magrittes Gemälde „La trahison des images“ („Der Verrat der Bilder“ bzw. „Die Täuschung der Darstellungen“), das eine Tabakpfeife zeigt mit dem ins Bild gemalten Untertitel: „Ceci n’est pas une pipe.“ („Dies ist keine Pfeife.“) weist unmissverständlich darauf hin, dass wir keinen Gegenstand sehen, sondern eine Darstellung, und dass die Kunst nicht in der Perfektion liegt, mit der die Illusion von Realem erzeugt wird, sondern in der Art der Darstellung und dabei auch in einer anderen Zielsetzung.

Wenn Kunst also etwas anderes will und kann, dann … was?

In Katalogen blätternd, durch Museen streifend, Gedichte lesend, angesichts vollkommen erscheinender Skulpturen mit den Augen wie mit Hände tastend, im Konzert meine Mithörer vergessend, skeptisch den von Christo eingepackten Berliner Reichstag umkreisend oder verwirrt einer „Performance“ folgend, bei der steingraue Gestalten zeitlupenhaft durch die Straßen ziehen – immer wieder könnte man die Frage stellen: Ist das jetzt Kunst? Mich muss diese Frage nicht quälen. Ich kann mich mit der Langeweile oder der Freude an dem, was ich da präsentiert bekomme, begnügen.

Ein wenig enttäuscht bin ich nur über ein zu schnelles Urteil. Gerade die Kunst hat sich immer durch den Widerstand des schnellen Urteils kämpfen müssen. Spontan wird ein Erzeugnis als großartig gepriesen, und einige Jahre später hat man begriffen, wie wenig Potential es hatte. Oder es wurde – was die Regel war und ist – ausgebuht oder missachtet, doch heute gehört es immer noch zu den bewunderten Werken.

Ich könnte es mir leicht machen. Kunst ist nur das, was ich in seinem Aufbewahrungsort, dem „Kunstmuseum“ antreffe oder den Eingang ins Lexikon geschafft hat. Vielleicht auch noch das, was bekannte Galerien teuer anbieten. Dort hätte ich glücklicherweise auch den Fachmann (meines Vertrauens ?) zur Hand.

Seit Jahrhunderten beugen sich die meisten Kunstinteressierten der Ansicht der „Autoritäten“. Diese Haltung ist bequem, leider auch ohne Überzeugungskraft.

Die Führungskraft [vgl. auch hierzu unten: 2. eine Gegenüberstellung] behauptet institutionell untermauert ihre Befähigung zum Kunstverstand. Autoritäten waren z.B. die Fürsten im Feudalismus (Mäzenatentum); auch die als Auftraggeber agierende katholische Kirche (insbes. i. M.A.) war eine solche. Als Autorität agierte im 19 Jh. die Jury, die für die Zulassung von Gemälden in den jährlichen Pariser Salons bestimmend war, und noch heute sind es die Professoren der Akademien und die (bes. medial in Erscheinung tretenden) Kritiker und Mega-Ausstellungs-Kuratoren, die wie die Päpste ex cathedra über Kunst entscheiden.

Die ‚modernste‘ Autorität ist sicher das Geld, und da der Kunstenthousiast des 20./21.Jh. ohne Festlegungen und Expertisen dem Misstrauen der eigenen mangelnden Kompetenz entgegen wirken möchte, ist sein Credo: Was nix kost, is auch nix wert; oder: Wofür Millionen geboten werden, das muss auch Höchstwert besitzen - künstlerisch gesehen. Heimlich quält viele dabei der Verdacht, dass die „Kunst“, einmal Gegenstand von Bank und Börse geworden, auch zum Betrug dienen könnte, der potentielle Käufer also sich hüten müsse, gegen viel Moos eine hochgejubelte Schmiererei, vielleicht eine Kopie untergejubelt zu bekommen oder gar einem Fälscher aufzusitzen. Die Gegenwart füttert solche Ängste.  

Viele scheuen sich in wachsendem Maße als Kinder einer Zeit verfallender Werte und der rapide anwachsenden Kompliziertheit des Lebens, die Regentschaft über ihre Anschauungen selber zu übernehmen. Was bleibt ist Ratlosigkeit bis Desinteresse gegenüber der „Kunst“ oder kategorische Ablehnung.

Zwei Auswege gibt es in dieser prekären Situation:

Man geht zurück auf Gewohntes, Bewährtes, das Klassische. Mit Berufung auf Werke z.B. der Renaissance und des Barock …, der Klassik, meinen manche im sicheren Zeugenstand beweisen zu können, dass Kunst immer nur als höchste Ausprägung von Kunstfertigkeit zu verstehen sei. Ist das perfekt sitzende und beifallsicher designte Kostüm nun ebenfalls Kunst. Und der Kompromiss  (man ist ja nicht unmodern) besteht darin, dass van Goghs „Sonnenblumen“ oder eine Mohnwiese von Monet das Wohnzimmer zieren dürfen.

Der andere Weg ist die Umkehrung der Bewunderung „klassischer Größe“: Etwas ist Kunst, weil der Rest, (meist ist es das Ungefällige) eher etwas Undefiniertes oder Primitives sei, das man auch selber oder der gerade den Windeln entwachsene Nachwuchs herstellen könnte.

Unlust, Trägheit, bloßes Desinteresse gegenüber der „Kunst“. All das sei zugestanden. Interesse ist nicht einklagbar. Niemand muss über sie eine Meinung haben. Als blutiger Laie beim Röntgenologen werde ich seiner Diagnose nicht durch eigene Begutachtung widersprechen, auch dem Klavierbauer keine Tipps geben wollen. Wer auf Gebieten, in die er sich nicht weit genug eingearbeitet hat, mehr Antworten als Fragen hat, der wird schnell dumm dastehen. Warum soll es da jemanden, der sich unqualifiziert zur Kunst äußert, anders ergehen als dem Kiebitz, der – ohne etwas vom Schach und seiner taktischen Spielweise zu verstehen – einen Spieler tadelt, weil der lange überlegt oder gar eine Figur opfert. Man sollte auch schweigen und zuhören können.

            Wenn uns Kunst aber ernsthaft beschäftigt, sollten wir uns auf ihrem Terrain sicherer und zufriedener bewegen können. Ich für meinen Teil habe begonnen, mir umsichtig zu vergegenwärtigen, was meine Erfahrungen sagen. Jeder hat einen subjektiven Blick, gerade auf alles, was „Kunst“ genannt wird. Diese Subjektivität ist eine ihrer Stärken. Das Subjekt macht sie, und ein Subjekt begegnet ihr. Keiner von beiden ist Richter. Da sie also ohne Subjektivität nicht betrachtet und beurteilt werden kann, beschränke ich mich jetzt auf meinen persönlichen Blick und frage: Was sind meine eigenen, persönlichen Erfahrungen und Überlegungen zur „Kunst“?

 

● Nach meiner Auffassung ist Kunst kein bloßer „Gegenstand“. Sie muss „Handlung“ sein. Was haben - als Kunst verstandene - Leinwände, Skulpturen, Schriften, Musikstücke, Gebäude, Happenings, Installationen und Theaterszenen gemeinsam? Sie sind die unendlich vielfältigen Formen, Inhalte, Erscheinungsweisen und Produktionsbedingungen; und ihre damit verbundenen Äußerungsarten tragen das Merkmal der Bewegung in sich, wie sie auch - auf den Rezipienten übertragen - eine Interaktion, zumindest auf gedanklicher und emotionaler Ebene zur Folge haben.

[Kein Einwand ist, Emotion schließe doch auch Sentimentalität ein. Ja, auch das. Kitsch dagegen widerspricht der Kunst, da seine Welt verlogen ist, am ehesten den Selbstbetrug fördert. Um Kitsch zu enttarnen bedarf es bei jedem auch einer Phase kritischer Erfahrungen.]

● Immer schon forderte man Originalität von Kunst. Ein äußerst schwieriges Kriterium, gerade im 20. und 21. Jahrhundert. Sie wird als Synonym für Kreativität verstanden, und man hat dabei den Eindruck, hier sind meist noch die jungen Goethes und Schillers wirksam. Erst in den 70er Jahren des 18. Jh.s kam der Begriff „Originalität“ auf, und die „Stürmer und Dränger“, voran der Werther’sche Großklassiker, der im „Prometheus“ noch schrie: „Hast du's nicht alles selbst vollendet,/ Heilig glühend Herz?“ und „Hier sitz' ich, forme Menschen / Nach meinem Bilde“. Das sind die selbstbewussten Entgegnungen des „Originalgenies“, den Göttern entgegen geschleudert, die ab sofort keine Autorität und keinen Einfluss mehr besitzen. Der Künstler, das „Genie“, ist selber Ursprung und Schöpfer – eine verständliche Reaktion auf eine Tradition, in der die „Nachahmung der Natur“ maßsetzend war. Dies wiederum ist ein Postulat der stets beispielhaften Götter (des antiken Griechenlands), mit ihrer – von den sogen. „Klassikern“ installierten – Maxime „edle Einfalt, stille Größe“. Einfalt und Größe wird heute oft missverstanden und verliert in einer digitalisierten, globalisierten Menschheit ihre Überzeugungskraft. Und dennoch bleibt der Geniebegriff an der Kunst kleben. (Ist Joh. Seb. Bach ein Künstler? Ganz bestimmt. Ist er ein Genie? Das sicher auch. Ist Pavarotti ein Künstler. Klar.  Doch ein Genie? Originalität taugt also nur sehr bedingt zur Bestimmung der Kunst, nicht einmal zum Gradmesser. Die gesamte mittelalterliche Tafelmalerei, der seine Vorgänger ungeniert plündernde B. Brecht wie auch die sich aus der Vergangenheit eifrig bedienende Postmoderne sind einige von zahlreichen Beispielen, die diesen Schluss stützen.

Begriffe wie „Erneuerung“ oder „das Neue“ als Ersatz für „Originalität“ helfen auch nicht weiter, wenn man an „Historismus“, „Klassizismus“ und „Neoklassizismus“, an „Neue Sachlichkeit“, an „Neoexpessionismus“ und all die anderen „Erneuerungen“ denken. Worin steckt hier das original Geniale?

● Was hier am ehesten Klarheit schafft, ist m. E. der Einbezug der Zeit, der Zusammenhang von künstlerischem Schaffen und gesellschaftlichen Bedingungen. Aus dieser Perspektive betrachtet ist „Kunst“ nicht angestrebte Bestätigung der bestehenden „Verhältnisse“, sondern Provokation. Diese beginnt bei der Unangepasstheit, der Eigenständigkeit, also Unabhängigkeit von geltenden Vorstellungen, und leistet leisen oder lauten Widerstand durch eine ehrliche, persönliche, neue Sicht der Dinge. Nicht Mainstream, nicht leichte Konsumierbarkeit, nicht Marktkonformität bestimmen sie. Profilpflege und Imagesucht haben keinen wesentlichen Anteil, sie sind für den Künstler angenehme Beigaben und dienen ihm nur kurze Zeit. Ein schlagendes Beispiel für die Bedeutungslosigkeit von  Image und Vermarktung ist der 1999 verstorbene französische Maler Bernard Buffet. Warum er als Nachfolger von van Gogh und Pablo Picasso gefeiert wurde war mir immer schleierhaft, auch dass er seine Werke teuerst veräußern konnte. Schon vor seinem Selbstmord sprach kaum noch jemand von ihm. Die Mode „Buffet“ war wie ein Mauerblümchen eingegangen. (Dass er gut von seiner Kunst (?) leben konnte, sei ihm herzlich gegönnt, und sein Selbstmord ist eher auf seine Parkinson-Erkrankung zurückzuführen als auf die Tatsache der abnehmenden Beachtung durch die Öffentlichkeit.) [Festgehalten werden muss in diesem Zusammenhang allerdings auch, wie sehr bei seinem Auf- und Abstieg Museumsdirektoren, Galeristen und sonstige Kunstexperten-Prominenz eine Rolle spielten.]

Und was, könnte man am Ende dieses Abschnitts fragen, ist nun das „Neue“ an beispielsweise Cranach d. Ä.? Ein Maler auf  der Schwelle vom Spätmittelalter zur Renaissance. Wo wäre in diesen Epochen Individualität oder gar Widerstand zu erkennen? Überall zeigt sich der selbstbewusste unabhängige Künstler mit einem ganz neuen Blick auf seine Welt. Nur flüchtig betrachtet tauchen überwiegend überkommene Motive mythischer und christlicher Art auf: Kreuzigungen, Heilige, Märtyrer, Paris beim Urteil, Allegorien wie die der Gerechtigkeit und der Schönheit sowie hohe, reiche Damen, Fürsten und angesehene Bürger. Konventioneller geht es kaum. Oder? - Wir haben auch Portraits Martin Luthers, der keine Bibel in der Hand hält, Melanchthons Hände sind nicht zum Gebet gefaltet; das würde auch nicht zu seinem  leicht verschmitzt, fast ironisch kritischen Lächeln passen. Die Nacktheit der Gerechtigkeit ist mehr als provokant, wie auch Judith dem Betrachter in einer Weise in die Augen sieht, dass er nicht genau weiß, was er fühlen und denken soll – über sie und über sich.

● Was selbst in solchen Werken deutlich wird: Neu in der Kunst ist nicht unbedingt das Thema, auch nicht die Form, sondern  die Sicht auf die Welt. War früher diese Sicht weniger frei, da z.B. die Kirche des M.A. ein zweifelfreies Weltbild etabliert hatte, so änderte sich das ja bekanntlich mit den Jahrhunderten. Die Eindeutigkeit einer Aussage, der Wahrheitsgehalt einer Ansicht löst sich immer weiter auf und verschwindet im 21. Jh. fast. So kann man für die Kunst ab der Renaissance feststellen, dass gesellschaftliche Verhältnisse, politische Ereignisse und der ständige Austausch wechselnder Ideen zu einer Vielfalt künstlerischer Ausdrucksformen und zu Ambivalenzen führen.

Kunst wäre also nie eindeutig. Sie spiegelt unser Dasein am ehesten, wenn sie mehrdeutig ist. Ein großer Gewinn an Freiheit. Allerdings: z. B. ein Gedicht zu deuten unterliegt nicht der Beliebigkeit. Nein – doch es lebt in der Freiheit seiner Aussagen, im schöpferischen Verständnis des Lesers.

So ist Kunst bis in die feinsten Verästelungen beweglich und lebendig.

● Ein allgemein akzeptiertes Merkmal für Kunst scheint das der bewussten, u. U. unbewussten Gestaltung. Ohne „Form“ ist das „Werk“ nichts als platte Wiedergabe der „Natur“, des Gegebenen, Durch sie wird sie deutlich zu einer „Wirklichkeit“ jenseits des äußerlich Erfahrbaren. Damit erhält sie etwas Magisches, Rätselhaftes, erzeugt widerstreitende Gefühle und auch oft nicht anders zu vermittelnde Sichtweisen und  Erkenntnisse. Durch die Sprache, die Tonfolge, den Aufbau, die Farben, Linien, tanzenden Körper erfahren wir etwas, was sonst verborgen bliebe. Im Gestalteten liegt schon ein Teil vom Sinn des Ganzen. Der Sinn steckt in der Gesamtheit des komplexen Kunstwerks. Dort allerdings bliebe er ein rein virtuelles Wesen, wenn wir es nicht durch unsere Bereitschaft, uns einzulassen, konkret erlebbar machten.

(Ein Auto ist ein Auto ist ein Auto. Wolf Vostells „Ruhender Verkehr“ auf dem Mittelstreifen des Hohenzollernrings von Köln ist weit mehr als der graue Betonblock. Er ist all das, was der Betrachter – unvoreingenommen und bereit – darin sieht; allerdings sieht er nur das, was im Kunstwerk selber steckt; vielleicht nicht alles, doch auf jeden Fall nicht mehr (da er dann das Kunstwerk aus den Augen verlieren würde).

● Das letzte Merkmal müsste im Vorangegangenen enthalten sein: Kunst und Freiheit sind identisch. Freiheit heißt, in niemandes Dienst zu stehen, weder eines Menschen, einer Ideologie oder einer Sache, nicht einmal der Moral und der äußerlichen „Wahrheit“ (doch in der „inneren Wahrheit“, der „Wahrhaftigkeit“ der Fiktion). Sie muss ja nicht frei von etwas sein, also frei von Engagement; doch sie sollte immer frei zu etwas sein, also auch frei zum Protest oder zur Parteinahme, zur Kritik, zur Lebenslust. Kunst ist auch frei in der Wahl ihrer Mittel, ihrer Darstellungsweisen und Inhalte. Damit ist sie auch frei von einer Verpflichtung zur Nutzanwendung.

Ohne diese „Freiheiten“ ist Kunst nicht.

  

 4   Gestern-Heute-Morgen  (a)

Worüber wir reden:  Über Kochrezepte. Über Preise. Über Autos. Über Umwelt. Über TV-Sendungen ... und das Aussehen der Moderatorinnen. Über Trump. Über Netzattacken. Über Krankheiten.

Worüber wir nicht reden: Über den Tod. Über hungernde Kinder. Über Hass. Über Freundschaft. Über Sexualität. Über das, was uns  zu Menschen macht. Über das Verlassen eingefahrener Pfade. Über das, was nicht Mitte ist, sondern Rand und darüber hinaus.

Wir reden auch überall über gestern und heute. Nicht wirklich über morgen.

Nostalgie ist schön, wenn sie verklärt. Nostalgie könnte neben dem Gefühl, bei sich selbst zu sein, auch die Einsicht haben, vernünftige Schlüsse zu ziehen.  Gestern war alles besser ist Blödsinn. Gestern war alles schlechter? Alles? Auch Blödsinn. Wenn wir überlegten, können wir sagen, gestern war alles, nein auch das ist eine billige Verallgemeinerung, also vieles anders. Auch wir und unsere Vorfahren.

Heute - ja, das interessiert uns. Es ist wichtig, zu wissen, wer mich heute regiert oder wen ich heute nicht mehr grüße. Es ist wichtig, weil ich heute esse und trinke und vielleicht überzeugen will. Es ist wichtig, ob ich heute Geld verdiene, ob ich heute mit mir und vielleicht auch dem einen oder anderen zufrieden bin, ob meine eventuelle Geilheit zufriedengestellt wurde. Ich bin mir wichtig. Das ist so. Sonst wäre ich ja nicht so lange auf Erden. Es geht nicht, ohne an sich  und an sich jetzt, heute, in dieser Zeit zu denken. Doch ...

Wenn unsere Nachkommen auch so sind, dann wäre es logisch, wenn sie unsere Generation nach Gebrauch auf den Acker schmissen. Denke ich aber an morgen, dann überkommt mich ein sehr mulmiges Gefühl. Ein Gefühl, das viele nicht befällt, schon gar nicht in der Mehrzahl die, welche über unser Leben jetz und vor allem in Zukunft entscheiden.

Sollte man (sollte ich, sollten wir) nicht besser der Erkenntnis Raum geben:  Wir sind verantwortungslos, wenn wir nicht für die Zukunft denken, nicht als Utopisten, doch als kreative Architekten einer Welt, in der wir dann ohne Wut auf unsere Vorgänger leben könnten, weil wir nicht auf Jahrzehnter zurückblicken müssten, in denen Gruppen von bornierten und zaghaften Egozentrikern Lust hatten auf Laisser-faire, Macht und lukrative Pöstchen?

5.  Über die beste aller Welten und Greta Thunberg

Was hätte ich nicht alles besser machen können in meinem Leben! Zumindest wäre es befriedigender gewesen, ich wäre Mitglied in einer „Bewegung“ geworden und hätte mich aktiv im gesellschaftlichen Leben (oder gar in der Politik) eingemischt. Vielleicht hätte ich dabei auch eines gelernt, das was mir so schwer fällt: Kompromisse zu schließen. Nicht, dass ich unwillig oder ganz und gar unfähig wäre, Zwänge und Notwendigkeiten zu akzeptieren. Wenn mein Freund den Tag mit mir lieber in der Stadt verbringen möchte - ich aber eine Ruhepause in der Natur benötige, könnten wir unsere Aufenthalte über den Tag verteilen;  oder einfach den Stadtpark besuchen. Bei zwei Hungernden wird der Kompromiss schon schwieriger: denn, sollte man luxuriöserweise über einen Apfel verfügen, so bringt eine Hälfte keinem Sättigung. Wenn ich jedoch vor die Wahl gestellt bin, links oder rechts abzubiegen, dann ist mit „geradeaus“ keinem gedient, schon gar nicht, wenn dieser Geradeausweg erst noch geschaffen werden müsste. Ganz unmöglich wird ein Kompromiss jedoch, wenn ich (wie Kafkas Maus von der Katze in eine Sackgasse gejagt) um einen Kompromiss ringe: nur die Entscheidung,  mich entweder fressen zu lassen oder aber an klein David zu denken und die Chance zu sehen, den Krallen dennoch zu entkommen. Ein Kompromiss hieße, dass beide einen Teil des Anderen fräßen – was nicht nur zu viel für die Maus, sondern auch zu wenig für die Katze wäre – es sei denn beide leugneten ihre Natur und die Katze  würde ängstlich die Krallen einziehen, die Maus dagegen an Bedrohlichkeit zunehmen können.

Leider ist die Natur der Tiere keine andere als die des Menschen. Auch da setzt sich der Mächtige gegenüber dem Unterlegenen durch. Nun ist es allerdings so, dass Katzen und Mäuse nicht die gleiche Spezies sind, die Mächtigen und Ohnmächtigen jedoch schon. Und was ist es, das den Mächtigen ihre Überlegenheit gibt? Nicht der Verstand; denn den findet man beidseitig, wie auch die Unvernunft. Es ist das Geld, der Besitz. Nur das Haben schafft Macht (dazu ist es nicht nötig auf die Präsidentenwahlen in den USA zu blicken). Die Macht zu gewinnen oder sie zu okkupieren ist dabei nebensächlich. Da ich nicht reich bin, kann ich mich ruhigen Gewissens den Nicht-Mächtigen zuordnen. Dennoch möchte ich Einfluss nehmen – werde auch dazu aufgefordert!

Ich halte also mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg und bemühe mich auch, meinen Verstand einzusetzen. Mein Verstand sagt mir zu allererst: Du solltest ein „gesundes Misstrauen“ besitzen. Nur „Schafe“ folgen unbedacht. Ich bemühe mich also. Auf diese Weise bin ich ein Bewunderer von Lessing, Tucholsky und Hildebrandt geworden. Wenn die Argumente nicht mehr helfen, dann muss man zur Satire wechseln – wohin sonst?

Da die mediale Satire blüht (schamlos feigenblattgroß), mehr als je zuvor, müsste man schließen: es geht der Welt, zumindest, Europa oder auch nur uns Deutschen, schlecht. Mir geht es jedenfalls schlecht: da ich nicht nur bei der kleinen Auswahl von Gräueltaten und anderen Verbrechen der täglichen Nachrichten das Kotzen bekomme, sondern auch mich selber und meine Daseinsberechtigung, auf jeden Fall meinen Verstand,  in Frage stelle. Um 19 oder 20 Uhr sehe ich die Erde und etliche Wesen verrecken, gleichzeitig die gewählten und nicht gewählten mächtigen Herren (und auch die eine oder andere Dame) „diskutieren“ und wieder mit Gefolge und bedruckten Papieren auseinandergehen, und am nächsten Tag weht nur noch ein (auch wenn er entsetzlich stinkt)  leichter, erkaltender  Pups durch die Blätter und man raunt bedeutungsschwanger  von Sachzwängen.

Wenn sie doch wenigstens zu Kompromissen gekommen wären! Zu der Erkenntnis, dass Kompromisse jedoch manchmal nichts helfen, kommt bei der Sorte Mensch keiner. Jedenfalls gesteht es keiner. So blöd kann auch ein Politiker nicht sein, dass er nicht erkennt, was alle Wissenschaft nachweist. Unsere Erde geht vor die Hunde. Wieso? Ich bin so „borniert“, dass ich selbst hier noch zögere. Sind wir es wirklich selber? Sind da nicht die allmächtigen Naturgesetze am Werke? Nein, nein. Die Mehrheit wählt immer grüner, weil sie sieht, spürt oder nur befürchtet, dass uns das Wasser zum Halse steht. Die Zukunft, höre ich heute, die Zukunft sieht das Leben nach mehr auf dem Lande – das .. wo ist es? . Der Fortschritt wird uns – so die Prophezeiung des Tages - das Wohnen auf einem Wasserplaneten ermöglichen. (Mit Häusern, teuerst im weichen Boden verankert, mit Dreifach-Glasfenstern und Eingangsschleusen, mit Luftfilterkammern und steuerbaren Hitzeschilden – und zur Erholung fahren die oberen Zehntausend zum Mond oder zum Teufel.) Alles ist machbar. Da können wir uns ruhig zurücklehnen. Wir haben hinreichend Spezialisten. Also keine Panik. Nee, keine Panik. Aber es sei doch erlaubt, darauf hinzuweisen, dass es auch die Erkenntnis von Dringlichkeit gibt.

Ich bin nicht Pessimist, ich bin nicht Optimist. Ich wäre gerne Realist. Und in dieser Haltung freue ich mich, dass endlich auch junge Leute beginnen, sich für mehr als Events und Spaß und Party zu interessieren. Vielleicht war es schon immer so, nur zeigten sie es kaum. Nun hat da eine junge Minderjährige aus Schweden eine kleine Rebellion angezettelt, die den Großteil der Erwachsenen aus dem Halbschlaf weckte. Mit ihr sind jetzt Millionen von jungen und auch älteren Menschen demonstrativ laut und fordernd geworden. Die Etablierten fühlen sich gestört. Sie wussten doch immer schon, wie’s geht, was nötig ist,… womit man Wahlen gewinnt. Sie möchten weiter ohne neue Ideen die alten weiter weich und weicher kochen. Sie gehören ja auch zu denen, die vor dem Desaster das Zeitliche segnen werden, zu denen, die ein warmes Zuhause haben und ein gemachtes Bett. Sie haben nie begriffen, dass sie Minister genannt werden, also Diener, und das Staatsoberhaupt nur derjenige ist, der beauftragt wurde, den „Willen des Volkes“ zu respektieren, „Schlechtes von ihm abzuwenden“.

 Doch dann geschieht etwas Seltsames; nicht nur heute geschieht es und nicht nur hier: Es bilden sich Interessengruppen, die um ihrer selbst willen Druck ausüben müssen. Ohne Lobby kein Erfolg, ohne Erfolg, kein Gewinn, ohne Gewinn kein Wohlstand. So denkt ein Großteil der Industrie, insbesondere denken so Energiekonzerne, Autoindustrie und multinationale aktiennotierte Konzerne. Sie versprechen allen Wohlergehen, allen die nicht mehr daran glauben, dass es reicht, Vater und Mutter zu ehren, auf dass es ihnen auf Erden wohl ergehe. Sie versprechen den Mächtigen Machterhalt und sie versprechen den Folgsamen, alle die auf welche Art auch immer zu eliminieren“, die dem widersprechen, sich wehren. Denn die sind eine Gefahr – für ihren Wohlstand.

So weit, so schlecht. Doch wir haben ja noch unsere kritischen Geister. Die müssen schreien, das tun sie zum Teil. Aber da ist nur eine „vorsichtige“ oder auch wenig interessierte Presse, die ihnen mit Vorsicht begegnet. Schlimmer: Da ist kaum ein Intellektueller, kein Schriftsteller, kein Künstler, Philosoph und Wissenschaftler, der den Mund so weit aufreißt, dass jeder ihn hört.

Die „kleinen Leute“ sind gefragt, die Satiriker und Kabarettisten. Die mäßigen Kritiker und die spaßigen  Kommiehdiens sind ja erträglich und können unterhalten, auch wenn sie sie keinen Zeh bewegen. Dann sind da die mit den kritischen Stacheln, die sie aber kommensurabel zu verkaufen trachten. Was bleibe ihnen anderes übrig…. Es gibt dann noch die Beißer, die nicht vor schmerzhaften Erkenntnissen zurückschrecken (z.B. von Wagner und Stutthof in der „Anstalt“). Aber leider gibt es auch Herrn Nuhr. Was ist in diesen mittlerweile Selbstgefälligen gefahren? Was hält er für Satire und Kabarett. Nicht nur, dass diejenigen, die er in seine beliebten und massenwirksamen Sendungen einlädt, immer mehr dahin tendieren, aufs Gelächter und das alltäglich leichte Gruseln zu schielen, sondern er schlägt sich mittlerweile auch auf eine mehr als ärgerliche Weise auf die Seite (wenn nicht Schenkel) des breiten Claqueur-Volkes, auf die Seite, der Amüsierbürger, die Scheinkritischen, die nur denken sollen, sie gehörten zu denen, die nachdenken. Peinlich für einen Kabarettisten ist nicht, dass er ein Prediger und Kalauerdrescher geworden ist! Nuhr ist kein Barth, deshalb umso peinlicher, dass einer, der es besser wissen müsste, auf die losgeht, die er schützen sollte und sich auf etwas beruft, das er gleichzeitig verrät. Kritik und Satire zielt nie auf die Schwächeren, sondern sie nimmt Partei ein für sie. Nuhr aber hat sich offenbar im Innersten schon verkauft an die Profiteure und strampelt mit seinen „Argumenten“ auf einem Terrain, das er Aufklärung nennen würde, das aber Lüge in die eigene Tasche ist und ärgerliches Versagen. Wenn junge Menschen etwas dringend fordern, dann entgegnet man ihnen nicht christianlindner-mäßig damit, sie sollten die Probleme den „Kompetenten“ überlassen, und man tut nicht so, als sei das Problem ein Problem der Wissenschaft, wohlwissend, dass die 16jährige darauf drängt, den Wissenschaftlern stärker Gehör zu verschaffen und nicht als Laie politisch zu dilettieren. Schlimm, wenn man es nötig hat oder schon in gesetzterem Alter „weise“ meint, die Argumente und Forderungen des Anderen zu entkräften, wenn man sie selber behauptet und dabei gleichzeitig pervertiert.

Eine schöne Welt? Die beste? Sie war es ja nie. Doch nie war sie so deprimierend wie heute, in der sich Satiriker im Scheindienst der Aufklärung, offenbar jedoch im Mainstreams aller Bequemen und Satten an einer kleinen Frau mit Mut und unangepassten Forderungen, an „dummen“ Schülerinnen und Schülern vergreifen, weil das einfacher ist, als zu geißeln, dass wie eh und je das Aufbegehren als Mode und periphere Begleiterscheinung denunziert wird.

 

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